Bild einer Schule

Wie die Integration von BNE in den Ganztag gelingen kann

Ein Interview mit Heike Heiß, Leitung des Regionalen Bildungsbüros im Alb-Donau-Kreis

BNE in der Ganztagsbetreuung

Ab dem Schuljahr 2026/27 greift das Ganztagsförderungsgesetz, welches die stufenweise Einführung des bundesweiten Anspruchs auf Ganztagsbetreuung regelt. Die Einführung des Ganztagsanspruchs stellt viele Kommunen vor Herausforderungen. Gleichzeitig bieten die verlängerten Bildung- und Betreuungszeiten vielfältige Möglichkeiten für eine bessere Förderung der Kinder - und auch für die Integration von BNE in den Schulalltag.

Wie genau die Ganztagsbetreuung genutzt werden kann, um BNE stärker in der Schule zu verankern und welche Vorteile daraus für die Schulen entstehen, darüber haben wir mit der Leiterin des Bildungsbüros des Alb-Donau-Kreises, Frau Heike Heiß, gesprochen. 

Kurzbeschreibung zum Alb-Donau-Kreis

Der Alb-Donau-Kreis ist eine vielfältige und heterogene Kommune in Baden-Württemberg mit insgesamt 55 zugehörigen Gemeinden und Städten. Angesichts der 60 Grundschulen im Landkreis ist die Kommune stark von der Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung ab dem Schuljahr 2026/27 betroffen. Unter dem Leitmotiv „Vernetzen, Informieren, Transparenz herstellen“ engagiert sich das Regionale Bildungsbüro des Alb-Donau-Kreises für die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Schulen, Jugendarbeit, freien Bildungsträgern, Politik, Wirtschaft und Vereinen. 

Das Bildungsbüro, das im Amt für Bildung und Nachhaltigkeit angesiedelt ist, verfolgt das Ziel, die Kooperation zwischen den verschiedenen Lernorten zu verbessern und auf ein neues Qualitätsniveau zu heben. Die Mitarbeitenden des Bildungsbüros widmen sich unter anderem den Themen BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) und Ganztagsbildung. Hierzu nutzt das Bildungsbüro seine Netzwerke, darunter auch den Arbeitskreis BNE, um Schulen und außerschulische Bildungsakteure in der Region zu vernetzen und gemeinsam die Herausforderungen des Ganztagsanspruchs zu meistern. Darüber hinaus informiert das Bildungsbüro durch seine Netzwerkarbeit und über seine Homepage über die wesentlichen Grundlagen bezüglich Verantwortlichkeiten, Ansprechpersonen, Finanzierungsmöglichkeiten und vielem mehr im Kontext des Ganztagsausbaus. 

Das Bildungsbüro unterstützt Schulen zudem aktiv bei der Integration von BNE in ihren Schulalltag. Es informiert und begleitet Schulen bei der Zertifizierung im BNE- bzw. Nachhaltigkeitskontext, prämiert schulische BNE-Projekte und pflegt enge Netzwerke in der Region. Des Weiteren hat der Landkreis ein eigenes Spiel zum Thema Wasser entwickelt, genannt „Tröpfles Wasserabenteuer im Alb-Donau-Kreis“, das aktuell für die dritte bis sechste Klasse zur Verfügung steht und für die erste bis neunte Klasse angepasst und erweitert werden soll. Ergänzend stellt das Bildungsbüro eine Reihe kostenfreier Bildungsmaterialien mit BNE-Bezug zur Verfügung.

In unserem Interview sprechen wir mit Frau Heiß vom Bildungsbüro des Alb-Donau-Kreis über die sich ergebenden Möglichkeiten und Herausforderungen für die Integration von BNE durch den Ganztagsausbau.

Zu unserem Interview mit Heike Heiß

Guten Tag, Frau Heiß, und herzlich willkommen zum Interview. Wir sprechen heute mit Ihnen über BNE in der Ganztagsbildung im Alb-Donau-Kreis, ein höchst aktuelles Thema angesichts des ab dem Schuljahr 2026/27 geltenden Rechtsanspruchs auf Ganztagsbildung für Grundschulkinder. Glauben Sie, dass sich durch die veränderten Strukturen im Ganztag neue Möglichkeiten zur Verankerung von BNE in der Schule ergeben?

In jedem Fall. Wir haben stets die Ganztagsschulen und die kommunalen Betreuungsangebote im Blick. Dabei stellen wir fest, dass ein deutliches Mehr an zeitlichen Ressourcen zur Verfügung steht. Dies ermöglicht sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich eine intensivere projektbezogene Arbeit, was wiederum die längerfristige Durchführung und Begleitung von BNE-Projekten begünstigt. Wir erhoffen uns zudem eine Zunahme der fächerübergreifenden Zusammenarbeit. Wenn BNE-Projekte initiiert werden, sollten diese idealerweise nicht nur an einem Projekttag oder in der Projektwoche stattfinden, sondern sich über ein ganzes oder halbes Schuljahr erstrecken und mehrere Fächer einbeziehen. 

Wir sind überzeugt, dass es in diesem Bereich auch mehr Raum für praktische Erfahrungen und Experimente geben wird, ebenso wie für die Kooperation mit externen Partnern. In der Bildungslandschaft gibt es zahlreiche Bildungsakteure, die sich der Bildung für nachhaltige Entwicklung verschrieben haben, aber teilweise nicht wissen, wie sie in die Schulen gelangen, bzw. die Schulen diese Angebote nicht kennen. Hier sehen wir eine wichtige Aufgabe in der Vernetzungsarbeit. 

Im Hinblick auf Partizipation und Beteiligung bietet der Ganztag unserer Ansicht nach eine größere Möglichkeit, Kinder stärker einzubeziehen, sodass sie sich selbst aktiver einbringen und Projekte eigenverantwortlich vorantreiben können.

Gibt es in Ihrer Kommune bereits konkrete Maßnahmen zur Verankerung von BNE im Ganztag?

Ein erster wichtiger Schritt sind die Vernetzungsaufgaben des Bildungsbüros. Unabhängig davon, ob Schulen zu Ganztagsschulen werden oder Kommunen kommunale Ganztagsangebote anbieten, können weder Schulen noch Kommunen diese Aufgabe allein bewältigen. Sie benötigen außerschulische Bildungsakteure aus ihrer Region, um ein umfassendes Angebot zu realisieren. Viele Schulen und Kommunen erkennen mittlerweile, dass die Umsetzung des Rechtsanspruchs während der Schulzeit, also an fünf Wochentagen bis zu acht Stunden, einigermaßen gut zu bewältigen ist. Eine größere Herausforderung stellt jedoch die Ferienbetreuung dar, da es tatsächlich nur noch bis zu vier Wochen Schließzeiten geben darf und in den übrigen Ferienzeiten ein Betreuungsangebot für die Eltern bereitgestellt werden muss. Die Vernetzung der Kommunen mit den Bildungsakteuren, um diese Betreuungslücken zu schließen, sehen wir aktuell als eine unserer Hauptaufgaben an.

Wie gestaltet sich diese Vernetzung konkret? Kommen potenzielle Ganztagsschulen mit ihren Wünschen auf Sie zu? Oder sind es die Akteure?

Sowohl Akteure als auch Schulen können sich an uns wenden. Ein Beispiel: Vor einiger Zeit besuchte ich eine Ganztagsgrundschule im Landkreis, wo ich mit der Schulleiterin ins Gespräch kam. Sie suchte nach Angeboten für den Ganztag im Bereich Sport und soziale Kompetenzen. Ich wusste von einem Kooperationsprojekt des größten Sportvereins hier, dem SSV Ulm, mit der AOK, der "AOK Spatzenschule". Dieses kostenfreie Projekt suchte Schulen für eine Zusammenarbeit. Ich informiere Schulen auch regelmäßig über solche Projekte und direkte Gespräche führen oft zu konkreten Ergebnissen. Daher mein Appell an Schulen und Kommunen: Geben Sie diese Informationen weiter! Informieren Sie Ihre Nachbarschule und thematisieren Sie dies bei Schulträgertreffen in Ihrer Kommune, um auch andere Schulen zu erreichen. Akteure können sich aber ebenfalls direkt an uns wenden. Unser Arbeitskreis BNE erhält regelmäßig Anfragen. Dieser setzt sich aus externen Akteuren und Mitarbeitern unseres Hauses zusammen. Wichtig ist uns auch die Beteiligung der Schulaufsicht, also der Vertreter des Staatlichen Schulamtes.

Gibt es neben der Vernetzungstätigkeit mit BNE-Akteuren weitere Maßnahmen, um BNE im Ganztag zu verankern?

 Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Qualifizierung des Ganztagspersonals. Im Zuge des Ausbaus der Ganztagsbetreuung ist absehbar, dass die erforderliche Anzahl an Fachkräften nicht zur Verfügung stehen wird und jede Kommune für motiviertes Personal, auch ohne pädagogische Ausbildung, dankbar sein muss. Daher werden Kommunen eine kompakte und gut finanzierbare Qualifizierung für diese Kräfte benötigen. Die bisher auf dem Markt befindlichen Fort- und Weiterbildungen sind jedoch sehr umfangreich und teilweise sehr teuer. In Zeiten sehr knapper kommunaler Haushalte spielen die Kosten keine unwesentliche Rolle. 

Aus diesem Grund hat sich das Bildungsbüro entschlossen, selbst eine Qualifizierung zu konzipieren. Wir orientierten uns dabei an einem Konzept für die Schulung von Schulbegleitungen, das vor 15 Jahren von der Universität Ulm entwickelt wurde. Ich hatte das Glück, in diesem Curriculum über viele Jahre Schulbegleitungen und Multiplikatoren auszubilden. Die Inhalte aus dem Curriculum, wie Konfliktmanagement, Kommunikationstraining, Umgang mit Peergroups, herausforderndes Verhalten, Rollenverständnis, Beteiligung, Partizipation, sind auch für die Ganztagsbetreuung relevant, wenn zukünftige Betreuungskräfte geschult werden sollen. Daher haben wir dies im Bildungsbüro auf Ganztagsbetreuungskräfte übertragen. 

Die Qualifizierung umfasst insgesamt zwölf Module. In allen Modulen integrieren wir Aspekte der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Dabei geht es nicht um eine tiefgreifende Auseinandersetzung, sondern vielmehr darum, Betreuungskräfte zu sensibilisieren und ihnen zu vermitteln, dass sie im Zweifelsfall den Austausch im Team suchen sollen. Es gibt jedoch auch zahlreiche Akteure auf dem Bildungsmarkt, die hierbei Unterstützung anbieten können, auch bei kommunalen Angeboten. Zudem stehen viele digitale Medien zur Verfügung, die zur Recherche und Information genutzt werden können. Die Information und Sensibilisierung der Betreuungskräfte bezüglich BNE ist unser oberstes Ziel.

Gab es eine Diskussion darüber, ob BNE als Querschnittsthema aufgenommen wird, oder wurde dies vom Bildungsbüro festgelegt?

Wir haben hier die Perspektive des Bildungsbüros eingebracht. Wir haben die Themen der Qualifizierung mit verschiedenen Akteuren erörtert und von Anfang an betont, dass BNE unbedingt berücksichtigt werden muss. Alle Gesprächspartner waren ebenfalls der Ansicht, dass BNE in diesem Kontext relevant ist.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Integration von BNE im Kontext der Ganztagsbildung?

Eine stetige Herausforderung sind die begrenzten Ressourcen. Netzwerke, Bildungsprojekte – selbst Pilotprojekte – benötigen Ressourcen und Freigaben. Im vergangenen Jahr wandte sich eine unserer Berufsschulen an uns. Sie plante eine Projektwoche zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) mit zahlreichen externen Partnern, verfügte jedoch weder über die notwendigen Kontakte noch über die Zeit für die Organisation. Die Schule ist in diesem Bereich sehr engagiert und verfügt über ein festes BNE-Team. Dennoch ist die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte, insbesondere in Fächern mit Korrekturaufwand, enorm. Daher erklärte sich das Bildungsbüro bereit, die Organisation pilotmäßig zu übernehmen. Die Ergebnisse sollen jedoch auch anderen Schulen zur Verfügung stehen, die ähnliche Fragestellungen haben. Wir übernahmen den gesamten Organisationsprozess und stellten einen Förderantrag, dessen Bearbeitung uns bis vor Kurzem aufgrund der anstehenden Belegprüfung beschäftigte. Die Beantragung von Fördermitteln für diesen Bereich ist mit erheblichen Hürden verbunden. 

Eine weitere Herausforderung ist der Personalwechsel. Sobald es in Schulen, Kommunen oder bei externen Bildungsträgern zu Personalveränderungen kommt, gehen Informationen verloren. Gegebenenfalls bestehen die Netzwerke für die Schule nicht mehr, bis zufällig jemand auf uns aufmerksam wird und feststellt, dass Unterstützung beim Bildungsbüro beantragt werden kann. Um sicherzustellen, dass diese Informationen bei Personalwechseln nicht verloren gehen, verbreiten wir Informationen über unsere Netzwerke und die Homepage. 

Schließlich sehen wir eine Herausforderung im schulischen Kontext von BNE. Obwohl BNE in den Bildungsplänen verankert ist, besteht ein Sensibilisierungsbedarf bei den Lehrkräften. BNE darf nicht als Zusatzangebot betrachtet, sondern muss in den regulären Unterricht integriert werden.

Abschließend noch eine Frage zu einem hypothetischen Szenario: Ein anderer Landkreis oder ein anderes Bildungsbüro befindet sich ebenfalls im Prozess des Ganztagsausbaus. Die Kommune möchte den Ganztagsausbau nutzen, um BNE stärker in den Schulen zu verankern, ist jedoch ratlos, wie und wo sie beginnen soll. Welchen Rat würden Sie dieser Kommune geben?

Der wichtigste Ratschlag ist: Beginnen Sie einfach und suchen Sie Verbündete. Allein ist es kaum zu schaffen, das wissen wir aus unserer Netzwerkarbeit. Wir sind stets bemüht, die verschiedenen Akteure und BNE-Themen in andere Bildungsbereiche zu integrieren. Ein Beispiel ist unser jährliches Bildungsforum, bei dem BNE nicht immer im Mittelpunkt steht. In diesem Jahr widmen wir uns dem Thema Künstliche Intelligenz und Bildung, wobei BNE dennoch eine Rolle spielt. Unsere Aufgabe ist es, Anknüpfungspunkte zu finden, um BNE auch dann zu integrieren, wenn es nicht das Hauptthema ist.


Cover Themendossier 2

Ausschnitte aus diesem Interview und viele weitere Informationen zum Thema BNE in der Ganztagsbildung finden Sie in unserem aktuellen Themendossier:

 

| Caroline Weichert
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