comic-hafte Figuren vor einem weitgehend leeren Hintergrund.

Von Erreichbarkeit bis Vernetzung

Über Möglichkeiten und Hürden von BNE im ländlichen Raum

Absicht des Textes

Ländliche Räume sind durch heterogene Bedingungen geprägt. Die Voraussetzungen für Bildungsarbeit sind daher schwer vergleichbar und in jeder Kommune doch ganz besonders. Und auch wenn es nicht diese eine Checkliste an Dingen gibt, die Bildungsmacher:innen in Ländlichen Räumen an die Hand gegeben werden kann, um qualitativ hochwertige BNE umzusetzen, wollen wir in diesem Text versuchen einige Aspekte zu sammeln, die Sie dabei unterstützen können. Der Text richtet sich damit sowohl an Akteur:innen aus Verwaltungen, wie auch deren Verantwortungsträger:innen und allgemein Stakeholder:innen, die Bildung für nachhaltige Entwicklung (zusammen mit Kommunalverwaltungen) in ländlichen Räumen voranbringen und verankern möchten. 

Inhalte

Um die Vielfalt und damit die unterschiedlichen Bedingungen für gelungene BNE zu verdeutlichen, befassen wir uns zunächst mit dem Feld "Ländliche Räume" (LR). Anschließend werfen wir einen Blick auf die besonderen Voraussetzungen, die Bildung im Allgemeinen und BNE im Besonderen in diesem geografischen und sozialen Raum vorfindet. Wir schauen, welche Besonderheiten LR im Gegensatz zu anderen Räumen aufweisen und welche Herausforderungen und Chancen sich daraus ergeben. Zum Schluss werden wir Beispiele dokumentieren, an denen Sie sich gerne orientieren können. Diese flankieren wir zudem mit einigen Anregungen, die Sie gerne in Ihre Arbeit für BNE in Ländlichen Räumen mitnehmen können.

Was sind Ländliche Räume

Ländliche Räume sind heterogen

Auf den ersten Blick könnte es einfach sein, ländliche Räume zu bestimmen. Aus der Perspektive der in der Stadt Wohnenden wären dies alle Räume außerhalb des Urbanen. Wer jedoch die Märkische Schweiz im Brandenburgischen oder das Mansfelder Land südlich des Harzes durchquert, wird feststellen, dass diese beiden Räume wenig miteinander und noch weniger mit den Orten an der Küste Schleswigs oder den Siedlungsstrukturen an der Weinstraße in Rheinland-Pfalz zu tun haben. Zwar sind diese Gebiete alle nicht städtisch, auch wird dort bspw. viel Landwirtschaft betrieben, darüber hinaus aber sind sie in ihren Strukturen und Bedarfen kaum vergleichbar. Wir gehen im Folgenden davon aus, dass der (Ländliche) Raum durch Bewohner:innen und Besuchende hergestellt wird, also dass Räume "das Ergebnis sich über Zeiten in konkreten und je ortsspezifischen materiellen Umwelten niederschlagenden kollektiven Aktivitäten" sind (Redepennig 2022, S. 67). Der Geograf Marc Redepennig meint dementsprechend:

"Die Einteilung in Ländliche und Städtische Räume ist ein mehr oder minder effizientes Klassifikationsinstrument zur Ordnung der gesellschaftlichen Räumlichkeit."

Redepennig 2022, S. 67

Drei Deutschlandkarten nebeneinander, die ländlichen und städtischen Raum unterschiedlich zeigen; die Karte ganz links zeigt sehr viele unterschiedliche Abstufungen, die Karte in der Mitte wenige Abstufungen und die Karte ganz rechts zeigt nur zwei verschiedene Farben, eine für städtische Räume und eine andere für ländliche.

Gemeint ist damit, dass Ländlichkeit durch unterschiedliche Einflüsse erst erzeugt wird. Sichtbar wird die Unterschiedlichkeit der Räume anhand der Raumtypen, die regelmäßig durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) und andere Ministerien veröffentlicht werden (s. Abbildung 1). Hier werden je nach Differenzierung zwischen zwei (RegioStaR2) und 17 (RegioStaR 17) Raumtypen unterschieden.

Viele verschiedene Begriffe in unterschiedlichen Farben und Schriftgrößen, die anzeigen, wie häufig sie genannt wurden; besonders groß sind die Begriffe "weite wege", "Natur" und "weite Fahrtwege".

Anders betrachtet es der Geograf Werner Bätzing, der zwar auch von einer abnehmenden Homogenität von LR ausgeht, die Unterschiede zwischen urbanen und ländlichen Räumen jedoch für derart groß hält, dass die recht pauschale Unterscheidung zwischen beiden (wie im RegioStaR2) übergangsweise sinnvoll erscheint, eine Ausdifferenzierung der Kategorie LR jedoch wichtig bleibt. Bätzing fordert gar eine politische Strategie, die die Entwicklung aller ländlichen Räume umfasst (Bätzing 2020, S. 20ff).

Unbestritten scheint, dass viele (aber nicht alle!) LR ähnliche Problemsituationen teilen. Das zeigten auch die Teilnehmenden an der interkommunalen Qualifizierung des BNE-Kompetenzzentrums vom 05.06.2024, indem sie Ländliche Räume wie folgt charakterisierten (Mehrfachnennungen waren möglich):

Aus dieser Abfrage wird deutlich, dass neben der Nähe zur Natur die Distanzen zwischen den Orten, sowie eine geringere Dichte von Angeboten und Infrastruktur charakterisierend für die LR sind, aus denen die Teilnehmenden kamen. Diese Ähnlichkeit in der Wahrnehmung von ländlichen Räumen wird auch deutlich, wenn wir auf die Herausforderungen von Bildung in LR zu sprechen kommen (s. Abschnitt 2). 

Auf politischer Ebene gilt - aller Differenzen zum Trotz - der Grundsatz, gleichwertige Lebensräume für alle Regionen schaffen zu wollen (Vgl.: BMEL o.J.). Also die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang zu bringen und zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in allen Teilräumen zu führen (ebd.). Menschen sollen also unabhängig von ihrem Wohnort – ob in städtischen oder ländlichen Gebieten – ähnliche Lebensbedingungen und Chancen haben. Das ist bei all den strukturellen Unterschiedlichkeiten ein zweifellos schweres Unterfangen. 

B(NE) in Ländlichen Räumen

Dezidierte Untersuchungen zu BNE in ländlichen Räumen lassen sich in der Wissenschaft leider nicht finden. Allerdings gibt es in den letzten Jahren ein breiter werdendes Feld zur Erforschung der Bedingungen und Praktiken von kultureller Bildung in peripheren bzw. ländlichen Räumen. Da es sich bei beiden um Bildungsansätze handelt, die größtenteils im non-formalen Bereich angeboten werden, stellen wir hier einige Ergebnisse dar, die sich zwar auf die Erforschung kultureller Bildung beziehen, jedoch einen Hinweis darauf geben können, welche Herausforderungen sich zeigen und welche Chancen sich für BNE in LR bieten. 

Was sind Herausfoderungen für BNE-Angebote im Ländlichen Raum? Darunter wird mit einem Balkendiagramm das Ergebnis der Umfrage angezeigt: die drei häufigst genannten (keine realtiven oder absoluten Zahlen) sind erstens Erreichbarkeit, zweitens Nachfrage, drittens Dauerhaftigkeit.

In unserer kommunalen Qualifizierung fragten wir die Teilnehmenden, worin sie Herausforderungen für BNE in LR sehen (s. Abb. 3). An erster Stelle wurde die Erreichbarkeit der Angebote erwähnt. Damit sprachen die Befragten zersiedelte Strukturen und die mitunter schlechte Ausstattung des ÖPNV an, die es schwermachen, die physischen Lernorte zu erreichen. Analog dazu ist auch die digitale Infrastruktur in LR häufig nicht ausreichend, um Angebote über diesen Weg wahrzunehmen (Vgl. Flasche 2021). Die lokale Verfügbarkeit von Bildungsangeboten ist allgemein nach wie vor von großer Bedeutung für den Bildungserwerb allgemein, weshalb Ungleichheiten bei der Anzahl an Bildungsangeboten und deren Nutzung adressiert werden müssen (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2024, S.22). 

Anknüpfungspunkte und Anregungen

Aus unseren Erfahrungen in der Prozessbegleitung der BNE-Modellkommunen sowie aus Studien anderer Bereiche, wie z.B. der kulturellen Bildung, ergeben sich wertvolle Impulse für mögliche Anknüpfungspunkte. Diese lassen sich auf struktureller, thematischer und auf Akteursebene identifizieren. Auf struktureller Ebene sind Ansätze der Organisationsentwicklung zentral, während auf thematischer Ebene spezifische inhaltliche Schwerpunkte im Fokus stehen. Auf der Akteursebene spielt die Zusammenarbeit verschiedener Beteiligter eine entscheidende Rolle, um Synergien zu schaffen und gemeinsam nachhaltige Entwicklung in ländlichen Räumen zu fördern. 

Strukturelle Anknüpfungspunkte

Die Einbindung von BNE-Aktivitäten in die regulären Aufgabenbereiche der Landkreise ist entscheidend (Deutscher Landkreistag 2021, S. 2). Werden Bürgerbeteiligung und nachhaltige Entwicklung als zentrale Leitlinien für die Gestaltung von Programmen und Maßnahmen, etwa im Bildungssektor oder in der regionalen Entwicklung, etabliert, können vor Ort wertvolle Synergieeffekte entstehen (Deutscher Landkreistag 2021, S.2). 

Landkreise und kreisangehörige Gemeinden können eine Schlüsselrolle in der Förderung von BNE spielen in Bezug auf (Deutscher Landkreistag 2021, S.1f.):

  • Netzwerkbildung: Koordination lokaler Bildungsakteure.
  • Schulträgerschaft: Förderung nachhaltiger Initiativen wie Schulgärten oder klimafreundlicher Schulverpflegung.
  • Abfallmanagement: Bildungsangebote zu Recycling, Kreislaufwirtschaft und Abfallvermeidung.
  • Volkshochschulen und Musikschulen: Integration von BNE-Themen in das Kursangebot.
  • Naturschutz und Energieagenturen: Beratung und Unterstützung lokaler Nachhaltigkeitsprojekte.

Thematische Anknüpfungspunkte

Die folgenden Aspekte entstammen der Kulturarbeit, sind unserer Meinung nach jedoch auch für die BNE-Arbeit in ländlichen Gebieten von Relevanz (vgl. Darian et al.). In der kulturellen Bildungsarbeit und ebenso in der BNE-Arbeit ist es wichtig, sich zunächst einen Überblick über vorhandene Strukturen zu verschaffen und die Potenziale der Region ins Auge zu fassen. Was zeichnet einen ländlichen Raum aus? Welche Themen verbinden die verschiedenen Akteur:innen vor Ort?

Darian et al. haben in ihrer Studie vier Bereiche benannt, die dabei helfen können, den passenden Ansatzpunkt zu finden. Ländliche Räume sind stark von ihrer historischen Entwicklung geprägt. Viele Menschen fühlen sich durch Traditionen und Erbe eng mit der Region und den dort lebenden Menschen verbunden. Diese Identifikation mit der eigenen Geschichte ist oft tief verankert. Doch gerade im Angesicht gesellschaftlicher Veränderungen stellt sich die Frage, welche Bedeutung dieses Erbe heute noch hat. Diese Auseinandersetzung bietet eine gute Möglichkeit, Menschen zu aktivieren und zur Mitgestaltung des ländlichen Raums zu ermutigen. Auch die Landschaft spielt eine wesentliche Rolle und prägt die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Geschichte der Region. Die Beschäftigung mit der Landschaft macht regionale Besonderheiten sichtbar und zeigt, wie sich traditionelle Lebensweisen in Bezug auf die Natur entwickelt haben. Zudem werden viele Bildungsangebote in ländlichen Regionen von den Bewohner:innen selbst getragen. Vereine, Initiativen und andere aktive Gruppen schaffen Räume der Begegnung, sei es in Sportvereinen, Dorfläden oder bei lokalen Festen (vgl. Darian et al.). 

Anknüpfungspunkte auf Akteursebene

Die Kooperation verschiedener Akteur:innen ist zentral, um Synergien zu nutzen und gemeinsam nachhaltige Entwicklung in ländlichen Regionen voranzutreiben. So zeigt Tabelle 1 eine Auswahl möglicher Akteur:innen in ländlichen Räumen. Die besondere Rolle zweier Akteur:innen, Volkshochschulen und Großschutzgebiete, soll im Folgenden detaillierter betrachtet werden. 

Eventuell einhergehend mit der Angebotsdichte ist auch die Nachfrage an den vorhandenen Angeboten eine Herausforderung. Gemeint ist hier, dass es mitunter schwierig ist, genügend Teilnehmende für die stattfindenden Angebote zu mobilisieren. Ob die Gründe dafür in der Erreichbarkeit, der Motivation oder anderer Aspekte liegen, ist nicht zu bestimmen, da es dafür keine ausreichende Datenlage gibt. Im Forschungsprojekt KUMULUS wurde erhoben, welche Herausforderungen sich Träger kultureller Bildung in peripheren Räumen gegenübersehen. Häufig wurde dort auch die Ansprache der Zielgruppen und die Suche nach dem Personal erwähnt. Die Suche nach Räumlichkeiten hingegen spielte keine größere Rolle (Grunert et al., 2023, S. 113).

Jugendliche für Bildungsarbeit erreichen

In peripheren ländlichen Räumen ist die Aufrechterhaltung von qualitativ hochwertigen Bildungsangeboten durch demografische Schrumpfung gefährdet. Zudem stellt die Erreichbarkeit Jugendlicher in ländlichen Räumen für Bildungsangebote eine besondere Herausforderung dar. Es haben sich verschiedene Strategien als wirksam erwiesen, um den Zugang zu kultureller Bildung zu verbessern und die Teilnahme besonders von jungen Menschen zu fördern.

Eine effektive Strategie ist die Nutzung von Multiplikator:innen und Netzwerken. In zwei ländlichen Regionen Ostdeutschlands zeigt sich, dass Kooperationen mit Schulen, Jugendzentren und Gemeinden dazu beitragen, Jugendliche besser zu erreichen. Durch die Zusammenarbeit mit lokalen Vereinen können zudem neue Begegnungsorte für kulturelle Bildung geschaffen werden (Grunert et al., 2023, S. 110).

Ein weiterer wichtiger Ansatz ist der Ausbau digitaler Angebote. Insbesondere durch die COVID-19-Pandemie hat sich gezeigt, dass digitale Formate wie Online-Musikunterricht oder virtuelle Jugendclubs eine wertvolle Ergänzung zu bestehenden Bildungsangeboten darstellen. Zudem ermöglicht die verstärkte Nutzung sozialer Medien eine gezielte Ansprache Jugendlicher und eine bessere Verbreitung von Informationen über kulturelle Bildungsangebote (Otte et al., 2023, S. 85 ff.).

Auch die Stützpunktbildung und mobile (kulturelle) Angebote sind geeignete Maßnahmen, um Jugendlichen in ländlichen Regionen den Zugang zu (kultureller) Bildung zu erleichtern. Schulen können als Stützpunkte dienen, während mobile Projekte wie fahrende Theater- oder Musikangebote dazu beitragen, kulturelle Bildung direkt in die Gemeinden zu bringen (Mallwitz & Nonte, 2023, S. 124).

Ein wesentlicher Faktor für die Teilnahme an Bildungsangeboten ist die physische Distanz. Da viele Jugendliche in abgelegenen Gebieten wohnen, sind ‚Elterntaxis‘, Fahrgemeinschaften oder eine bessere öffentliche Verkehrsanbindung essenziell, um ihnen die Teilnahme an kulturellen Angeboten zu ermöglichen (Patz et al., 2024, o.S.).

Die Einbindung der Eltern könnte auch auf anderer Ebene entscheidend sein, da sie eine wesentliche Rolle bei der kulturellen Teilhabe ihrer Kinder spielen. Wichtige Maßnahmen umfassen die Organisation von Fahrgemeinschaften, eine flexible Beitragsgestaltung sowie niederschwellige Zugangsmöglichkeiten. Besonders wichtig ist eine offene Kommunikation der Bildungsanbietenden mit den Eltern, um sie über (kulturelle) Bildungsangebote zu informieren und ihre Unterstützung zu gewinnen (Krüger & Schön, 2023, S. 100).

Neben infrastrukturellen Aspekten spielen so auch sozio-kulturelle Faktoren eine Rolle. Bildungsangebote in LR sind meist stärker auf gemeinschaftliche Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen ausgerichtet, da Teilhabe in ländlichen Regionen oft im Sinne einer gemeinschaftlichen Breitenkultur andere Schwerpunkte setzt, als in städtischen Gebieten, in denen eher der Konsum von Kultur im Vordergrund steht (vgl. Patz et al., 2024, o.S.).

Ein besonders wichtiger Ansatz zur Erhöhung der Teilnahme ist die partizipative Gestaltung von Bildungsangeboten. Jugendliche sollten aktiv in die Entwicklung und Umsetzung kultureller Programme eingebunden werden, damit ihre Interessen besser berücksichtigt werden. Dies fördert die Identifikation mit den Angeboten und steigert die Motivation zur Teilnahme (Kolleck & Fischer, 2023, S. 353).

Schließlich ist auch die Frage der Zentralisierung versus Dezentralisierung von Angeboten relevant. Während zentrale Bildungsangebote in Städten meist von einer besseren Infrastruktur profitieren, erfordern ländliche Regionen eher dezentrale Konzepte, um kulturelle Bildung für alle Jugendlichen zugänglich zu machen (Grunert et al, 2023, S. 118 ff.).

Es lässt sich also zusammenfassen, dass sowohl ländliche Räume als auch die Zielgruppe "junge Menschen" ihre spezifischen Herausforderungen mit sich bringen, wenn es um die Gestaltung hochwertiger Bildungsangebote geht. Die hier beschriebenen Ergebnisse stammen allesamt aus der Forschung über kulturelle Bildung in ländlichen Räumen und es bleibt auszutesten und zu schauen, ob und inwiefern sich diese 1:1 auf die Anforderungen von BNE in LR übertragen lassen. 

Im Folgenden wollen wir Ihnen konkrete Beispiele an die Hand geben, wie das gut gelingen kann.

Mögliche Akteur:innen in ländlichen Räumen (kein Anspruch auf Vollständigkeit)

Kommunale EinrichtungenVereine, Verbände…
  • Volkshochschulen
  • Musikschulen
  • Museen
  • Bibliotheken
  • Medienzentren
  • Abfallwirtschaftsbetriebe
  • Stadtwerke
  • Kreiseigene Naturschutzstiftungen
  • Kommunale/regionale Klima- und Energieagenturen

  • Landfrauen
  • Landjugend
  • Heimatvereine
  • Schützenvereine
  • Kulturvereine
  • Umweltschutzvereine
  • Großschutzgebiete
  • Außerschulische Bildungseinrichtungen
  • Verband der Bildungszentren im ländlichen Raum (VBLR)

Volkshochschulen und Großschutzgebiete als Schlüsselakteure

Großschutzgebiete wie Naturparke, Biosphärenreservate und Nationalparke nehmen bei der Gestaltung von BNE im ländlichen Raum eine Schlüsselrolle ein, da sie einerseits rechtlich zur BNE verpflichtet sind und andererseits über umfangreiche Erfahrungen und Netzwerke verfügen (vgl. Holst 2021). 

Jorrit Holst identifiziert zwei zentrale Rollen, die Großschutzgebiete dabei einnehmen können. Zum einen die Rolle als Träger ganzheitlicher BNE-Lernorte. Großschutzgebiete sollen als Vorbilder für nachhaltige Entwicklung agieren und diese in allen Aspekten ihres Handelns widerspiegeln. Sie können die Kohärenz zwischen Lerninhalten und praktischen Erfahrungen stärken und Zielkonflikte als Lernanlässe nutzen. Wichtige Maßnahmen sind die Weiterentwicklung ihrer Angebote, eine institutionelle Selbstevaluation und die Einbindung in nachhaltige Bildungslandschaften. Zum anderen können sie als Moderations- und Vernetzungsstellen agieren. Großschutzgebiete können als zentrale Knotenpunkte in regionalen Bildungslandschaften wirken. Sie unterstützen durch Netzwerkbildung, Moderation von Beteiligungsprozessen, Organisation von Weiterbildungen und Fördermittelakquise. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen, Kommunen und weiteren Akteur:innen zu fördern und Nachhaltigkeit in der regionalen Bildungsarbeit zu stärken. Großschutzgebiete verfügen über ein großes Spektrum an Handlungsmöglichkeiten. Holst betont die Bedeutung von regionalspezifischen Ansätzen, struktureller Unterstützung und einem ganzheitlichen institutionellen Verständnis von Nachhaltigkeit.

Großschutzgebiete bieten durch ihre Verankerung in gesetzlichen Vorgaben und regionalen Netzwerken eine einzigartige Chance, BNE praktisch umzusetzen und regionale Bildungslandschaften nachhaltig zu gestalten. Ihre doppelte Funktion als Lernort und Netzwerkakteur kann erheblich zur Verbreitung von BNE beitragen und die Bildungsarbeit an lokale und globale Herausforderungen anpassen (vgl. Holst 2021).

Ein beispielhaftes Projekt sind die GeoTürle im Landkreis Reutlingen (Landratsamt Reutlingen o.J.). Es ist eine landkreisweite Geocaching-Tour zu den 17 Globalen Nachhaltigkeitszielen, die als Kooperationsprojekt des Landkreises Reutlingen und des Geoparks Schwäbische Alb initiiert wurde und bereits seit 2021 besteht (ebd.). 

Die 845 Volkshochschulen in Deutschland veranstalten jedes Jahr etwa 700.000 Angebote. Mit rund neun Millionen Teilnehmenden sind sie der führende Anbieter für allgemeine Erwachsenenbildung im Land. Das Netzwerk der Volkshochschulen, mit nahezu 3000 Standorten, bietet ein deutschlandweit einzigartiges, wohnortnahes Bildungs- und Kulturangebot. Besonders in ländlichen Räumen sind sie oft die einzige Möglichkeit für Weiterbildung. Mit ihren vielfältigen Programmen fördern die Volkshochschulen lebenslanges Lernen und ermöglichen es den Menschen, sich aktiv in Gesellschaft, Kultur und Arbeitswelt einzubringen (vgl. Deutscher Volkshochschul-Verband 2024). Ferner richten Volkshochschulen ihren Fokus nachhaltiger Entwicklung auch auf die eigene Organisation, indem sie ihre Organisationsentwicklung am Whole Institution Approach ausrichten. Sie nehmen somit auch eine Vorbildfunktion für andere Organisationen und Institutionen in ländlichen Räumen ein (Deutscher Volkshochschul-Verband o.J.). 

So reichen die Beispiele von BNE-Arbeit an Volkshochschulen über einzelne Angebote, wie der Escape Room „Es gibt keine Party B“ an der VHS Ruhr-Eifel im Kreis Düren (Ein Escape-Romm als Bildungsinstrument) bis zur BNE-Zertifizierung der gesamten Einrichtung, wie die KVHS im Kreis Uckermark (BNE-Zertifizierung Kreisvolkshochschule Uckermark).

Fazit

Die Bildungsarbeit in ländlichen Räumen stellt eine besondere Herausforderung dar, da diese Gebiete durch eine große Heterogenität geprägt sind. Trotz der Unterschiede lassen sich jedoch einige gemeinsame Merkmale identifizieren, die für eine erfolgreiche BNE berücksichtigt werden können.

Eine zentrale Schwierigkeit besteht in der Erreichbarkeit von Bildungsangeboten, sowohl physisch als auch digital. Die geringe Dichte an Bildungsinstitutionen, unzureichende Verkehrsanbindungen und Lücken in der digitalen Infrastruktur erschweren den Zugang erheblich. Zudem stellt die Mobilisierung von Teilnehmenden eine Herausforderung dar, da ländliche Räume oft von demografischen Veränderungen und strukturellen Einschränkungen betroffen sind. 

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind innovative und partizipative Ansätze gefragt. Die Zusammenarbeit verschiedener Akteure - von Kommunalverwaltung über Volkshochschulen bis hin zu lokalen Vereinen - spielt eine Schlüsselrolle. Netzwerke und Kooperationen können Synergien schaffen und Bildungsangebote effektiver in die Regionen integrieren. Auch digitale Formate, mobile Bildungsangebote und die stärkere Einbindung von Jugendlichen und ihren Familien können zur Verbesserung der BNE-Arbeit beitragen. 

Praxisbeispiele aus verschiedenen Bereichen zeigen, dass insbesondere Großschutzgebiete und Volkshochschulen als zentrale Bildungsakteure fungieren können. Während Großschutzgebiete als ganzheitliche Lernorte und Vernetzungsstellen für nachhaltige Entwicklung agieren, bieten Volkshochschulen wohnortnahe Weiterbildungsmöglichkeiten und tragen zur Stärkung der Bildungslandschaft in ländlichen Regionen bei. 

Insgesamt wird deutlich, dass erfolgreiche BNE in ländlichen Räumen eine flexible, standortspezifische Herangehensweise erfordert. Strukturelle, thematische und akteursbezogene Anknüpfungspunkte müssen gemeinsam entwickelt und verankert werden, um Bildung für nachhaltige Entwicklung langfristig in ländlichen Regionen zu etablieren und weiterzuentwickeln.

Literatur

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| Korbinian Biller und Greta Wulfekötter
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Foto von Eva Kaufmann und Timo Ackermann